Seit über 200 Millionen Jahren durchqueren Meeresschildkröten die Weltmeere, alle sieben Arten sind vom Ausstreben bedroht. Sie sterben als ungewollter Beifang der Fischereiindustrie und ihre Niststrände werden durch den Bau von Hotels zerstört. Nun droht auch der steigende Meeresspiegel als Folge des Klimawandels ihre Niststrände zu zerstören und schon jetzt zeigen beunruhigende Forschungsergebnisse ein verändertes Geschlechterverhältnis bei frisch geschlüpften Meeresschildkröten.
Das Geschlecht der Reptilien wird durch die Nisttemperatur im Sand während der ersten Tage nach der Eiablage bestimmt. Höhere Temperaturen bringen vermehrt weibliche Tiere hervor. Eine Studie aus Australien hat dies Anfang 2018 gezeigt: Im Norden des Great Barrier Reefs schlüpfen fast nur noch weibliche Grüne Meeresschildkröten. Bei den Jungtieren der untersuchten Population lag deren Anteil bei 99,8%. Ein solches Ungleichgewicht gefährdet das Überleben der Meeresschildkröten.
Auch die die Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta), steht durch den Klimawandel zunehmend unter Druck. Da die Schildkröten ihre Eier im Sand ablegen und das Geschlecht der Jungtiere abhängig von der Temperatur während der Entwicklung der Eier ist, führt auch die Erwärmung vieler traditioneller Nistgebiete im östlichen Mittelmeer zu einem Ungleichgewicht in den Populationen – mit einem Überwiegen weiblicher Tiere. Zudem können zu hohe Temperaturen die Entwicklung der Eier beeinträchtigen und die Überlebensrate senken. Daher gewinnen kühlere Nistgebiete im nördlichen Mittelmeerraum, wie an der albanischen Küste, zunehmend an Bedeutung.
Obwohl es in Albanien bereits Hinweise auf erfolgreiche Nistaktivitäten von Meeresschildkröten gibt, wurde hier bislang kein systematisches Monitoring durchgeführt. Die wenigen bekannten Nistplätze entlang der Adriatischen und Ionischen Küste sind jedoch durch die zunehmende touristische Erschließung, wie den Bau von Ressorts und Ferienanlagen, stark bedroht.
Die AGA plant daher mit Kollegen vor Ort neben Öffentlichkeitsarbeit ein umfassendes Monitoring-Programm an der Südküste Albaniens, um potenziell wertvolle Nistgebiete zu identifizieren und Bedrohungen zu dokumentieren. Dazu sollen 14 Strände während der Sommersaison 2025 systematisch zu Fuß und mit Drohnen überwacht werden, um Nester zu registrieren und, falls erforderlich, z.B. wenn sie zu nah an der Wasserkante sind, in sichere Gebiete umzusiedeln. Die Temperatur in den Nestern werden mit Temperaturloggern aufgezeichnet und der Erfolg der Nistaktivitäten - wie viele Jungtiere schlüpfen - wird überwacht. Zudem werden natürliche und menschengemachte Gefahren erfasst. Die gesammelten Daten werden dazu beitragen, die Lebensräume der Meeresschildkröten gezielt zu schützen. Gleichzeitig soll das Projekt lokale Kapazitäten für den Schutz und die Überwachung der Nistplätze stärken und damit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Unechten Karettschildkröten im östlichen Mittelmeer leisten.